symbiotic devices
Als ich einmal im Spätsommer an einem kleinen Bahnhof eines winzigen Dorfes meinen Zug verpasst hatte und rund zwei Stunden auf den nächsten warten musste, beschäftigte ich mich damit, meine Fähigkeiten im Fangen von Fliegen mit der Hand zu verbessern.
Ich war ehrlich gesagt nie besonders gut darin, so gelang es mir auch an diesem Tag nicht ein einziges Mal eines der blitzschnellen Insekten zu fangen. Allerdings machte ich dadurch eine interessante Beobachtung:
Die Fliegen setzten sich jedes Mal, nachdem ich sie mit meiner Hand verscheucht statt gefangen hatte, wieder auf die gleiche Stelle und gaben mir dadurch eine weitere Chance mein Glück zu versuchen.
Zu Hause angekommen, recherchierte ich ein wenig und fand heraus, dass die gemeine Stubenfliege tatsächlich nur ein Gedächtnis von ca. 0,7 Sekunden besitzt. Diese Erkenntnis regte mich zum Nachdenken an. Ich stellte mich selbst in der Rolle einer Fliege vor und dachte über die Konsequenzen nach. Wie würde mein jetziges Leben sich verändern, würden meine motorischen Fähigkeiten komprimiert werden auf die einer Fliege?
Ich entschied mich drei Gadgets zu konstruieren – Eine Dusche, eine Uhr und einen Fernseher – die der Wahrnehmung und Größe einer Stubenfliege angepasst sind, aber eigentlich Bedürfnisse und Gewohnheiten eines Menschen erfüllen.
So fließen durch den aus Kupfer gebogenen Sprühkopf der Fliegendusche für knapp 10 Sekunden 280ml Wasser. Aktiviert werden kann die Dusche durch eine Lichtschranke und ist dank dessen auch durch ein Insekt benutzbar. Ein durch eine 9V-Blockbatterie betriebener Schmitt-Trigger dient als Zeitschaltung und schließt einen 230V-Stromkreis, wodurch eine Wasserpumpe eingeschaltet wird. Der durchschnittliche Mensch in Deutschland war 2010 1,715m groß. Durchschnittlich verbrauchte ein solcher ca. 40L Wasser pro Duschgang. Macht man die verbrauchte Wassermenge abhängig von der Körpergröße und rechnet diese auf die durchschnittliche Größe einer Fliege (7mm) um, kommt man auf 280ml, die eine durchschnittlich große Fliege durchschnittlich verbrauchen müsste.
Die Fliegenuhr besteht aus einer auseinander gebauten Armbanduhr, an dessen Stell-Rädchen ein Motor angeschlossen ist, der 1500 Umdrehungen pro Minute macht. Dementsprechend zeigt diese Uhr auch 1500 Minuten in einer „echten“ Minute . Hochgerechnet auf 19 Tage, die eine Stubenfliege in der Regel lebt, wird die Uhr insgesamt 28.835 Tage gezeigt haben, welches die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen in unseren Breitengeraden ergibt, nämlich 79 Jahre.
Schließlich spielte mit dem Fliegenfernseher auf das Erinnerungsvermögen einer Fliege an. Grundgedanke war, dass eine Fliege nicht in der Lage ist einen Spielfilm, der 90 Minuten lang ist wahr zu nehmen, da sie ständig vergisst, was gerade eben geschehen ist. Aus diesem Grund schrieb ich ein Programm, dass den durchschnittlichen Farbwert eines Films in Echtzeit berechnet und durch eine Lichtschranke aktiviert wird. Anschließend sendet es die gesammelten Informationen an ein Arduino-Board, welches den errechneten Wert für Rot, Grün und Blau an eine Full-Color LED, die in einem Video-Camcorder-Sucher verbaut ist, weiterleitet. Für 0,7 Sekunden zeigt der Sucher die Durchschnittsfarbe des Films.
Genannt habe ich diese Reihe von Erfindungen symbiotic devices. Die Fliege, ein vom Menschen nur als störend betrachtetes Insekt, erlangt dank der Möglichkeit Dinge zu tun und Geräte zu verwenden für die alleine der Mensch privilegiert ist, Menschlichkeit und dadurch zumindest für den Moment der Eingebundenheit in dieses Projekt einen weniger niederträchtigen Stellenwert im Empfinden des Menschen. Das melancholische an dieser Chose ist, dass es eben jene kontroversen Geräte sind: der Fernseher als Symbol für Medienkonsum, die Uhr als Quelle für gestressten Alltag und die Dusche, als Metapher für Schönheitswahn.
Jeder wird sich die Frage stellen: „Wofür braucht die Fliege das?“ – Natürlich braucht die Fliege das nicht. Sie ist glücklich damit nur ihren Urinstinkten zu folgen. Und lässt man sich einen Augenblick auf diesen Gedanken ein, stellen die symbiotic devices die Gegenfrage: „Wofür brauche ich das?“.