Sansür – Zensur im türkischen Fernsehen
In meiner Bachelorarbeit ‚Sansür – Zensur im türkischen Fernsehen‘ habe ich mich mit den Zensurpraktiken im öffentlichen Fernsehen der Türkei beschäftigt. Seit meiner Kindheit schaue ich türkisches Fernsehen und habe im Laufe der Zeit bemerkt, dass zunehmend zensiert wird. Die Zensur ist dabei nicht mit der in Deutschland vergleichbar. Denn in Deutschland wird eine Szene einfach weggeschnitten. Im türkischen Fernsehen werden hingegen Szenen Gepixelt, was eine gewisse Kuriosität erzeugt. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Zigarette: Wenn eine Person eine Zigarette in der Hand hält, wird der gesamte Oberkörper nicht mehr sichtbar.
Ich habe mich für dieses Thema entschieden, weil ich aufzeigen möchte, welche willkürlichen Entscheidungen getroffen werden, um visuelle Medien zu zensieren. Szenen, die bei regierungskritischen Sendern problematisch erscheinen, werden bei regierungsnahen Kanälen oft problemlos ausgestrahlt. Außerdem ist seit 2008 zu beobachten, dass die Medienlandschaft insgesamt konservativer geworden ist. Früher konnte der Künstler Seyfettin Dursunoğlu im öffentlichen Fernsehen als Drag Queen auftreten. Was ab 2010 nicht mehr möglich war. Mit der Begründung, das so eine Sendung nicht mehr gewollt ist.
Das grundlegende Problem ist, dass nicht klar definiert ist, was genau erlaubt ist und was nicht. In der Theorie kann alles gesendet werden, doch die Konsequenzen für vermeintlich schädliches Material sind enorm. Dabei geht es nicht nur um die üblichen Zensuren, die es weltweit gibt, wie bei Gewalt oder sexuellen Inhalten zum Jugendschutz. Jedes Land hat seine eigenen Regeln und moralischen Vorstellungen. Während in den USA extreme Gewalt im öffentlichen Fernsehen gezeigt werden kann, wird dies in Deutschland direkt gekürzt. Umgekehrt können im deutschen Fernsehen sexuelle Inhalte problemlos ausgestrahlt werden, was in den USA strafbar wäre.
Da nicht klar definiert ist, was für die Behörde als Problem gilt, neigen die Sender dazu, Inhalte so stark zu zensieren, dass sie keine Sanktionen befürchten müssen. Dadurch wird manchmal mehr zensiert als eigentlich gefordert, was auch die kuriosen Zensuren erklärt.
Die Türkei ist ein pulsierendes Land, in dem sich jederzeit alles ändern kann. Allein in meiner Recherchezeit musste ich im Nachgang einige Vorkommnisse hinzufügen. In der Zeit, als ich meine Bachelorarbeit verfasste, passierten allerlei Ereignisse, die die Medienlandschaft in der Türkei erneut veränderten. Oft wird gesagt, die aktuelle Regierung sei der Grund für diese Zustände, doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Die Wurzeln der Zensur liegen in der Geschichte der Republik Türkei. Zensur gab es schon immer in den Medien, besonders in Zeiten von Putschen, als viele Filme verboten wurden. Während der Putschzeit 1980 wurden zahlreiche linke Filme komplett vernichtet, da sie als schädlich für die Regierung galten. Das änderte sich in den 90er Jahren, als Privatsender auf Sendung gingen. Die Sender entschieden selbst, was zensiert werden sollte. Dies führte jedoch dazu, dass Real-Crime-Dokus komplett unzensiert ausgestrahlt wurden, wie die Sendung ‘SICAK SICAGINA’ wo echte Leichen im öffentlichen Fernsehen gezeigt wurden. Nach zahlreichen Beschwerden wurde 1996 die RTÜK gegründet, um die Sender zu überwachen. Was mit einer Regulierung begann, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem dogmatischen Zensurapparat.
Auch die aktuelle politische Lage spielt eine große Rolle. In wirtschaftlich guten Zeiten wird kaum zensiert und vieles mehr toleriert, während in angespannten Zeiten deutlich stärker sanktioniert wird. Das türkische Fernsehen spiegelt die aktuelle Lage in der Türkei wider und hat eine weitaus größere Bedeutung als in Europa. Mehr dazu könnt ihr in meiner Bachelorarbeit nachlesen. Sie basiert auf dem Stand von 2021/22 und wird bis 2025 nochmals aktualisiert. Hier ist übrigens nur die gekürzte Fassung. Wenn ihr Interesse habt, schreibt mir gerne eine E-Mail.
English translation: Sansür EN