Haptical Exploration

Einführung

Fühlen als Metapher für Gefühle. Von unseren Gefühlen geleitet treffen wir Entscheidungen. Entscheidungen die unser Leben, unseren Weg beeinflussen. Entscheidungen die ihre Wirkung sofort entfalten. Entscheidungen die ihre Wirkung erst irgendwann in der Zukunft entfalten. Jede Entscheidung hinterlässt eine Spur in unserem Leben. Die eine mehr, die andere weniger. Was passiert wenn eine Maschine aufgrund von (Ge)fühlen eine Entscheidung trifft? und wann entfaltet diese Entscheidung ihre Wirkung?

Aufgrund dieser Fragestellung ist der “haptische Explorator”, ein kartesisches System welches einen Oberflächensensor über eine Styroporplatte führt, entstanden. Die Idee hierbei ist, dass diese Styroporplatte für das Leben, die Welt dieses Systems steht, und die Maschine mittels des Sensors Erfahrungen und im übertragenen Sinne Gefühle aus dieser Umwelt sammelt. Aufgrund dieser “Gefühle” entscheidet die Maschine wohin sie sich weiter bewegen soll. Gleichzeitig brennt die Maschine mit einem Heizdraht eine Spur in die Styroporplatte, und ändert so die Oberflächenstruktur. Also verändert jede getroffene Entscheidung das “Leben” der Maschine, und beeinflusst auch zukünftige Entscheidungen. Denn sollte der Sensor bereits besuchte Bereiche der Styroporplatte erneut abtasten, so liegen dort nun andere “Eindrücke” als beim vorherigen Besuch vor, was dann die Entscheidung der Maschine anders ausfallen lässt. So kann jede getroffen Entscheidung auch nachfolgende Entscheidungen beeinflussen.

Prozess

Ausgangspunkt der Arbeit waren Experimente zur haptischen Erfassung von Oberflächen. Gegenüber der gängigen optischen Verfahren (Laser, Photogrammetrie, IR, etc.) hat mich interessiert, wie es möglich ist die Struktur von Oberflächen durch Berührung zu ermitteln, so wie es auch der Mensch tut. Und das möglichst präzise. Hierzu habe ich verschieden Messinstrumente wie z.B. eine Messuhr auf ihre Funktionsweise hin untersucht und versucht diese Nachzubilden.

Im Endeffekt habe ich mich dann für die Kombination aus zwei Sensortechnologien entschieden um einerseits sehr feine Höhenunterschiede (im Mikrometerbereich), aber auch größere Unterschiede (im Millimeterbereich) erfassen zu können. Als “feiner Sensor” dient eine alte Plattenspielernadel, als “grober Sensor” ein sogenannter Linearencoder mit Rasterstreifen.

Während dieser Experimentierphase habe ich mich außerdem auf die Suche begeben nach “spannenden” Oberflächen. Also Oberflächen die eine heterogene Struktur haben, ein gewisses Grundrauschen, welches mir als Datenquelle dienlich ist. Hierbei bin ich schließlich auf Styropor gestoßen, womit ich dann weiter experimentiert habe. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich Styropor durch Hitze sehr leicht deformieren lässt, und sich die Oberflächenstruktur so maßgeblich verändern lässt, was ich für eine sehr interessante Eigenschaft des Materials halte, die ich in meiner Arbeit mit aufgreifen wollte.

Aus diesen Experimenten ist schließlich die Idee entstanden den “haptischen Explorator” zu bauen, also eine “fühlende” Maschine, eine Art elektro-mechanischer Organismus, dessen “Leben” durch eine Styroporplatte repräsentiert wird, und den man dann auf seinem “Lebensweg” beobachten kann. Um den Eindruck, dass es sich um einen Organismus handelt noch zu Verstärken werden die erhobenen Sensordaten auch in Klänge gewandelt.

Umsetzung

Hardware

Der “haptische Explorator” ist ein kartesisches System, inspiriert vom “AxiDraw”-Plotter. Das besondere an diesem System ist, dass die x-Achse statisch ist, und die y-Achse ein- und ausgefahren werden kann. So ist der Blick auf die Styroporplatte und auf den Sensorkopf immer frei und die Konstruktion wirkt etwas filigraner als zum Beispiel eine Portalmaschine.

Da die Plattennadel nicht omnidirektional funktioniert, sondern immer in eine Richtung gezogen werden muss, ist der Sensorkopf frei um seine eigene Achse drehbar. Durch die verwendung eines 12-poligen Schleifkontaktes werden alle benötigten elektrischen Signale vom Sensorkopf weg, aber auch zum Sensorkopf hin geleitet. So wird auch die speziell aus Kantaldraht angefertigte Glühwendel mit Strom versorgt. Um die Nadel weiter zu schonen, lässt sie sich mittels eines Servomotors von der Styroporplatte abheben, wenn sich der Kopf dreht oder das System sich kalibriert. Die x- und y-Achse sowie der Sensorkopf werden mit Schrittmotoren und Zahnriemen bewegt.

Neben der Haupteinheit, welche alle elektrischen Komponenten wie Motortreiber, Microcontroller, Netzteil, Steuerplatine usw. beherbergt, gibt es noch eine Abgesetzte Bedieneinheit zum Einstellen der Startposition, der Lautstärke, sowie zum Starten des Prozess.

Als Herz der Maschine verrichtet ein TeensyLC seine Arbeit, über den einerseits die Motoren angesteuert, und anderseits die Sensordaten verarbeitet werden. Für die Erzeugung der Geräusche synthetisiert auf Grudlage der anliegenden Sensordaten ein digitaler 8-Bit Synthesizer auf Basis eines ATtiny-45 Klänge. Alle elektronischen Komponenten sind auf einer speziell angefertigten Steuerplatine untergebracht.

Programmablauf

Die Startposition wird von einem Menschen festgelegt und anschliessend der Prozess wird gestartet.Daraufhin legt der Sensor eine Strecke mit zufälliger Länge in die vorgegeben Richtung zurück und Sammelt Eindrücke. In analogie zum konstanten Voranschreiten der Zeit bewegt sich der Sensorkopf immer mit konstanter Geschwindigkeit über die Styroporplatte.

Aus den gesammelten Eindrücken ermittelt die Maschine den nächsten Zielpunkt in Abhängigkeit von der aktuellen Position in Polarkoordinaten (Winkel und Radius). Dazu werden die Eindrücke in negative und positive Eindrücke unterschieden, je nachdem welche überwiegen fällt die Abweichung vom bisherigen Weg stärker oder schwächer aus, so lässt sich als Beobachter nachvollziehen wie es der Maschine im letzten Abschnitt ergangen ist. Sollte der ermittelte Zielpunkt außerhalb des Aktionsradius der Maschine liegen wird der Zielpunkt neu berechnet und ein Zähler erhöht. Erreicht dieser Zähler einen bestimmten Grenzwert ist der “Lebenszyklus” der Maschine vorbei und sie begibt sich wieder in die Ausgangsposition.